Im Mai 1991 begann mit der Besetzung des Wohlgroth-Areals die grösste Schweizer Hausbesetzung. Das Wohlgroth war für viele Jugendliche Wohn- und Kulturraum zugleich. Sie nahmen diese Räume mitten in der Stadt, organisierten sich selber, führten einen nicht-kommerziellen Kulturbetrieb und übernahmen die staatlich eher vernachlässigten Aufgaben wie eine Frauennotschlafstelle oder einen Fixerraum. Trotz Demonstrationen und vielen Aktionen kam es im November 1993 zur gewaltsamen Räumung.

1968, 1980 oder 1993 – seit drei Jahrzehnten fordert eine junge Generation mehr Freiraum. Heute übernehmen digitale Treffpunkte viele Aufgaben, die Jugendtreffs einst hatten. Heute gibt es Zugang zu Informationen aus aller Welt, alles ist abstrakter geworden und es braucht mehr Wissen, um sich aufzulehnen. Wo früher direkt vor der Tür der Reichen demonstriert und mehr Lohn gefordert wurde, muss, wer heute etwas verändern will, über die EU, die Menschenrechtskommission, den Hauptsitz der Firma im Irgendwo gehen. Die Abhängigkeiten in der globalisierten Welt machen es schwierig, die verschiedenen Zusammenhänge zu erkennen.

Es existieren mehr kleine Bewegungen und Szenen. Eine der letzten Jugendbewegungen war die Technoszene, die in Zürich anfangs der 1990er-Jahre mit vielen Technopartys in Clubs und der Streetparade auflebte. Heute werden fortlaufend neue Generationenbegriffe definiert. Kaum kommt ein neues Bedürfnis oder Problem auf, wird es häufig kommerzialisiert. Wogegen gilt es noch zu rebellieren? Die Mutter trägt dieselben Kleider wie die Tochter. Alles ist fliessender geworden. Eine Masse zu bewegen ist schwierig geworden. Aber die vielen kleinen Ich-AGs haben den Vorteil, dass sie spontan auf die Veränderungen in der Gesellschaft reagieren können. Sie sind flexibler und anpassungsfähiger als vorgängige Generationen und streben beruflich und privat nach Selbstverwirklichung.

1992 wurde der VFF in OKAJ umbenannt und galt von nun an als Organisation und Kontaktstelle aller Jugendvereinigungen in Zürich.

Heute drohen Jugendszenen in der Optionenvielfalt des täglichen Supermarkts der Stile unterzugehen. Die Reibungsflächen sind weggeschliffen. Alles scheint möglich, alles ist verfügbar, alles ist käuflich. Sind Jugendszenen nur noch schillernde Oberfläche? Wann ist die Techno-Party zu Ende? Braucht es nicht wieder eine protestierende Jugend?

a walk on the wild side, Stapferhaus Lenzburg, 1997
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QUELLEN:

  • Konzertaufnahmen und -bilder von wemean
  • Bilder der Jugend von heute aus Privatarchiven und von Julia Furer